Das Millstätter Fastentuch

12 Szenen aus dem Alten Testament 29 Szenen aus dem Neuen Testament gemalt von Oswalt KREUSEL anno 1593
Für jedermann frei zugänglich hängt das noch immer im liturgischen Gebrauch stehende Tuch während der vorösterlichen Fastenzeit in der römisch katholischen Pfarrkirche von Millstatt. Als ideale Ergänzung zur Besichtigung bietet sich eine wunderschön aufbereitete Bilddokumentation an:
Das Millstätter Fastentuch 12 Szenen aus dem Alten Testament und 29 Szenen aus dem Neuen Testament gemalt von Oswalt Kreusel anno 1593 fotografiert, eingeleitet und mit Bibeltexten versehen, von Axel Huber. Dieses Buch, im Format von 23 x 24 cm, mit 96 Seiten und 42 ganzseitigen
Farbtafeln ist 1987 in Klagenfurt erschienen (ISBN 3 85366 5268). Es kann im Pfarramt Millstatt und im Tourismusbüro Millstatt erworben werden.
Kärnten ist reich an sakralen Kunstschätzen, die vom vergangenen Reichtum und der Religiosität seiner Bewohner Zeugnis geben. Eine besondere kunsthistorische Kostbarkeit stellt das Millstätter Fastentuch von 1593 dar. Mit über 50 Quadratmeter Tuchfläche verhüllt es nicht nur den ganzen
Altarraum der Pfarrkirche, sondern zählt nach dem Gurker Fastentuch von 1458 zu den größten, noch erhaltenen Leinwandbildern des gesamten Alpenraumes. Oswald Kreusel, ein in St. Veit an der Glan ansässiger Maler, hat auf ungrundierter Normalleinwand in wässriger Deckfarbenmalerei 41
biblische Szenen dargestellt. Der bunte Bilderbogen spannt sich von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht und deckt somit die gesamte christliche Glaubensvorstellung ab. Wie bei den mittelalterlichen Bilderbibeln üblich, ist auch das Millstätter Tuch in einem schachbrettartigen Feldersystem organisiert (Abb. 1). Freiherr von Cobenzl und Pfarrherr Jochner von Aich und Prägrad sind als Auftraggeber und Stifter durch ihre am Tuch aufgemalten Wappen bezeugt. Sie haben das 1997 restaurierte Fastentuch mit einer imposanten Kantenlänge von etwa 8,60 auf 5,60 Meter eigens für die Stiftskirche Christus Salvator und Allerheiligen in Millstatt als Guasche anfertigen lassen.
Die Malerei von Oswald Kreusel und die schwarzen Vorzeichnungen, des uns unbekannten Monogrammisten H K, entsprechen der lokalen Kärntner Maltradition am Übergang der Spätgotik zum Frühbarock. Vor allem die drastischen Gesichtszüge einzelner Figuren sind noch ganz dem bäuerlichen Realismus der Spätgotik verhaftet. Gut gelungen sind Kreusel die paradiesischen Landschaftsvendetten innerhalb einiger alttestamentarischen Szenen.Dieses in seiner Art einzigartige Kunstwerk, welches in erster Linie auf eine plakative Gesamtwirkung konzipierte ist, umfasst 41 hochrechteckige Bildfelder, auf denen dem Betrachter insgesamt 56 biblische Themen dargeboten werden. Als Vorlagen dienten Holzschnitte berühmter deutscher Renaissance – Künstler wie Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Virgil Solis. Im gegenreformatorischen Millstatt hat man sich andererseits nicht gescheut, aus einer Holzschnittfoge von Lucas Cranach mindestens fünf Motive zu entlehnen, obwohl er zum Hauptkünstler der Reformation zählte. Sogar Holzschnitte aus illustrierten Lutherbibeln hat man herangezogen, wie die damals überaus populären und weit verbreiteten Bibelillustrationen des Nürnberger Künstlers Virgil Solis.